Zahlen, die aufrütteln: Europas Landwirtschaft auf dem Rücken von Migrant:innen
Europa zählt rund 9,2 Millionen landwirtschaftliche Arbeitskräfte – über ein Viertel davon sind Saison-Arbeiter: innen, viele ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Laut der International Labour Organisation (ILO) arbeiten über 60 % der Arbeiter:innen informell, ohne Schutz, faire Bezahlung oder Perspektive.
Während durch Fairen Handel im Globalen Süden die Arbeits- und Lebensbedingungen von Produzent:innen und Arbeiter:innen stetig verbessert werden können , bleibt ein Thema oft unter dem Radar: die Arbeitsbedingungen im globalen Norden. Die Realität in den landwirtschaftlichen Betrieben Südeuropas steht sinnbildlich dafür.
Die Kampagne Meet THE PICKERS greift diese Realitäten auf – ungeschönt und bewegend. Sie begleitet Arbeiter: innen – wie etwa Naveed aus Pakistan oder Avinash aus Nepal, die für ihren Aufenthalt oft Tausende Franken zahlen müssen, um dann in Baracken ohne Wasser zu leben. Der Film, «The Pickers» bringt ihre Geschichten ab dem 2. Juni auf die Leinwand und Strassen Europas.

Unsichtbare Arbeit sichtbar machen
Ob in Apulien oder Andalusien: Zehntausende Erntehelfer: innen arbeiten unter prekären Bedingungen für Obst und Gemüse, das auf unseren Tellern landet. Schlechte Bezahlung, fehlende Verträge, keine soziale Absicherung – und kaum gesellschaftliche Sichtbarkeit. Diese Zustände widersprechen dem Bild, das wir häufig vom «entwickelten» Norden haben.
Fairer Handel endet nicht an der jeweiligen Landesgrenze. Immer mehr Initiativen in Europa setzen sich dafür ein, dass auch lokal produzierte Waren unter fairen Bedingungen entstehen. In der Schweiz etwa wurde von der Stadt Genf in Zusammenarbeit mit Swiss Fair Trade, Uniterre und weiteren Akteuren eine Absichtserklärung verfasst, welche die Grundlagen für einen lokalen fairen Handel umfasst und auch für Fair Trade Town wurden neu Kriterien für faire lokale Produkte definiert
Auch in Südeuropa gibt es bereits nachhaltige Alternativen – wie etwa «No Cap|People before Profit» – Organisationen in Italien, die faire Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen umsetzten. Auch die schweizer AG gebana importiert seit 2020 fair gehandelte Orangen (echte Orangen) aus Griechenland. In den vergangenen Jahren setzt sie sich dabei auch zunehmend für eine professionelle Kontrolle der Arbeitsbedingungen vor Ort ein, vor allem in Zusammenarbeit mit Anyfion.
We want a FAIR PICK: 10 Forderungen
Die Kampagne Meet THE PICKERS ruft mit dem Slogan „We want a FAIR PICK“ zu einem Umdenken im globalen Norden auf: Faire Ernte heisst faire Rechte. Aktuelle Bio- oder Handelszertifikate greifen zu kurz – soziale Standards sind kaum gesichert. Deshalb werden 10 klare Mindeststandards für alle migrantischen Arbeiter: innen in der europäischen Landwirtschaft gefordert. Sie sollen als Grundlage für eine wirklich fairen und menschenwürdigen Umgang auf und neben den Feldern dienen.
1. Achtung und Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Arbeiter:innen.
2. Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit sowie jeglicher Misshandlung, Diskriminierung und Belästigung.
3. Vertragliche Absicherung in verständlicher Sprache und unter Einhaltung nationaler und internationaler Mindestlohnregelungen.
4. Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Zugang zu medizinischer Versorgung, sanitären Einrichtungen, Trinkwasser und gesunder Ernährung.
5. Würdige, bezahlbare und freiwillige Unterbringung – kein Zwang zur Unterkunftsnutzung.
6. Aufklärung über Rechte, die Möglichkeit zur gewerkschaftlichen Organisation und Integration in lokale Gemeinschaften.
7. Beschwerdemechanismen, die zu transparenter Aufklärung und Korrekturmaßnahmen führen – ohne Angst vor Repressalien.
8. Bekämpfung von Ausbeutung durch Menschenhandel sowie Schutz vor illegalen Vermittlungsgebühren.
9. Migration fair gestalten – durch nationale und internationale Protokolle für saisonale und längerfristige Arbeitsverhältnisse.
10. Staatliche Subventionen an Bedingungen knüpfen – nur wer soziale, wirtschaftliche und politische Rechte von Arbeiter:innen achtet, soll unterstützt werden.
Diese Forderungen richten sich an Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – um gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
>>> AUFRUF UNTERZEICHNEN <<<
«Man sieht es den Orangen nicht an, ob sie fair gepflückt wurden,» – Philipp Scheidiger, Geschäftsführer Swiss Fair Trade
Auch im Schweizer Recht gehen die Menschenrechte derzeit verloren. Die zur Abstimmung gebrachte Konzernverantwortungsinitiative scheiterte im ersten Versuch am Ständemehr.
Doch die Arbeit geht weiter: Erst am 27.05.2025 wurde die Konzernverantwortungsinitiative 2.0 eingereicht Im Laufe der Unterschriftensammlung konnten innerhalb von 14 Tagen über 180’000 Unterschriften gesammelt werden: REKORD!
Einen tieferen Einblick in die Relevanz der Kampagne für die Schweiz und die Gründe, weshalb Swiss Fair Trade als Unterstützer aktiv beteiligt ist, gibt das Interview mit Philipp Scheidiger.
Werde Teil der Bewegung: Ab dem 2. Juni auch in deiner Stadt
Ab dem 2. Juni 2025 können überall in Europa Filmvorführungen von „THE PICKERS“ stattfinden. Ob du selbst ein Event organisierst oder eines besuchst – jeder Beitrag zählt. Gemeinsam setzen wir ein Zeichen für einen FAIR PICK: eine Landwirtschaft, die auf Menschenwürde basiert.
👉 Jetzt Veranstaltung finden oder selbst starten
Hinweis: Eine Filmvorführung mit anschliessender Podiumsdiskussion findet am Dienstag, 10. Juni in Genf statt – mit Anja Imobersteg (Projektleiterin, Swiss Fair Trade), Ben Kempas (Filmemacher und Experte für Dokumentarfilme und Wirkungskampagnen, Film & Campaign Ltd) sowie weiteren Gästen. Eine einmalige Gelegenheit, sich über Handlungsmöglichkeiten in der Schweiz für eine wirklich faire Landwirtschaft auszutauschen.
🗓️ Dienstag, 10. Juni, 18:30 Uhr 📍The StoryBoard House, Av. Jacques Martin 15, 1224 Chêne-Bougeries