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Fair Trade Town Glarus Nord

Solidarität heisst auch Sicherheit

Als erste Schweizer Gemeinde erhielt Glarus Nord vor rund einem Jahr die Auszeichnung „Fair Trade Town“. Gemeindepräsident Martin Laupper (FDP) ist vom Engagement überzeugt: Noch nie sei es so wichtig gewesen wie heute, sich für eine gerechte und solidarische Welt einzusetzen.

Es ist Teil seiner täglichen Arbeit, sich über das Geschehen in der Welt zu informieren. Doch derzeit bereitet genau das Martin Laupper Kopfzerbrechen: Wie verhält man sich als Mensch und als Gemeinschaft angesichts Armut, Unterdrückung und Extremismus? Für den bürgerlichen Politiker ist klar, dass die Verpflichtung zur Solidarität allein aus Eigeninteresse notwendig ist. Denn: „Nur eine gerechte Welt ist auch eine sichere.“

Gemeindepräsident Martin Laupper (FDP)

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Gemeinde Glarus Nord unternommen, als sie Gemeindepräsident Martin Laupper (FDP) sich vor rund einem Jahr zur „Fair Trade Town“ hat auszeichnen lassen. Das Gütesiegel belegt, dass sie sich beim fairen Handel besonders verdient gemacht hat. Voraussetzung für die Auszeichnung ist, dass eine bestimmte Anzahl von Detailhändlern, Gastronomiebetrieben, Schulen, Vereinen und Unternehmen fair gehandelte Produkte vertreiben oder konsumieren. Zudem muss sich die Gemeinde zum Fair Trade bekennen, eine lokale Arbeitsgruppe bilden und die Bevölkerung auf das Thema sensibilisieren.


Mehr als nur ein Zeichen setzen

Laupper war der treibende Kopf hinter der Auszeichnung. Er war es, der auf die Firmen zugegangen ist, sie überzeugt hat, die Bewerbung mitzutragen. Geholfen hat, dass die Gemeinde 2011 überhaupt erst durch die Fusion von acht Dörfern im Norden des Kantons entstanden ist. „Die Bewerbung hat uns zu einer eigenen Identität verholfen“, ist Laupper überzeugt. „Heute sind viele Leute stolz darauf, dass wir die erste Fair Trade-Gemeinde sind.“ 

Seit der Auszeichnung im Februar 2016 hat sich in der Gemeindeverwaltung einiges verändert. „Es geht nicht einfach darum, welche Kaffeesorte wir trinken“, erklärt Laupper. Vielmehr habe ein regelrechter Wandel im Denken stattgefunden. „Fair Trade wirkt sich auf die Kultur in der Gemeinde aus. Es verändert, wie wir miteinander umgehen.“ 

Dazu gehöre, dass bei staatlichen Ausschreibungen nicht mehr nur auf den Preis geachtet wird. Das heutige Reglement sieht vor, dass zu 30 Prozent weiche Faktoren wie der faire Handel berücksichtigt werden. Konkret: „Bei einem Strassenprojekt müssen wir nicht mehr den günstigsten Kies aus China einkaufen, sondern können ein Unternehmen wählen, das sich bei der Ausbildung von Lehrlingen verdient gemacht hat.“ Das helfe letztlich allen.

Auch der neue Leitspruch der Gemeinde für 2017 steht für diesen Wandel im Denken: „Fair und verbindlich“ heisst er. 


Der Effekt ist oft anderswo 

Kritiker werfen der Fair Trade Bewegung bisweilen vor, dass sie vor allem in kleinen Gemeinden wenig bewirkt. Dem widerspricht Reto Cossalter. Er führt im 400-Seelendorf Obstalden das fünfköpfige IT-Unternehmen Glit und tischt seiner Belegschaft nun während den Arbeitspausen Kaffee und Schokolade von Fair Trade-Marken auf. „Als Kleinunternehmen sind unsere Möglichkeiten natürlich beschränkt“, gibt er zu bedenken. Aber wichtig sei die Sensibilisierung. Und in seinem Fall habe seine Abnahmegarantie dazu beigetragen, dass der Dorfladen Fair Trade-Produkte gewinnbringend ins Sortiment aufnehmen konnte.

Das sieht auch Fritz Schlitter so. Er ist in Niederurnen beim weltweit tätigen Baumaterial-Hersteller Eternit für die Beschaffung zuständig und hat dafür gesorgt, dass im hiesigen Personalrestaurant eine Handvoll Fair Trade-Produkte angeboten werden: verschiedene Fruchtsäfte, Schokoladen-Riegel und der obligate Kaffee. „Die Produkte kommen bei den Gästen gut an“, weiss Schlitter. Für manche ist es der erste bewusste Kontakt mit Fair Trade. Dies helfe, Vorurteile abzubauen.


Fairer Handel stärkt das Profil

Ein paar Dörfer weiter thront in Filzbach hoch über dem Walensee das Seminarhotel Linh. Das 1929 entstandene Haus gehörte einst dem Blauen Kreuz und diente als Ferienheim für Angehörige von Alkoholkranken.  Auch heute setzt sich das Hotel sozial ein und beschäftigt über 40 Personen mit Beeinträchtigungen. 

„Der Nachhaltigkeitsgedanke und die Menschlichkeit gehören klar zu unserer Firmenkultur“, erklärt Geschäftsführer Urs Brotschi. „Für uns war von Anfang klar, dass wir mitmachen.“ Zusatzkosten seien im Hotel kaum angefallen. „Unser Schwerpunkt liegt bei Bio-Produkten und Erzeugnissen aus der Region“, so Brotschi. Nur wenig müsse importiert werden, dann aber am liebsten Fairtrade-Produkte. Schliesslich ergänzen diese die regionalen Waren ideal. Die Selbstverpflichtung habe trotzdem Konsequenzen für den Betrieb: „Seit wir bei Fair Trade Town mitmachen, achten wir nun noch konsequenter darauf, was wir einkaufen.“ 

Für Brotschi ist der Nutzen der Teilnahme klar ersichtlich. Da der stark umkämpfte Markt für Seminarhotels schrumpfe, sei es wichtig, das eigene Profil zu stärken. „Mit einer passenden Zielgruppe kann das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und fairem Handel sogar helfen, neue Kunden zu generieren.“ Solidarität heisst eben auch geschäftliche Sicherheit.